Der Eisvogel, fliegender Diamant

Oktober 2020, Kanada: auf meiner damaligen Kurzreise an den südwestlichsten Zipfel Kanadas begegneten mir diverse Tierarten, die ich bis dato noch nicht in freier Wildbahn gesehen hatte. Von Seelöwen bis Bären, von Weißkopf-Seeadlern bis … war einiges unbekanntes und neues dabei.

Einer dieser unbekannten Vögel war der Gürtelfischer, im Englischen Belted Kingfisher genannt. Er gehört zur Gruppe der Eisvögel (Alcedinidae) und ist der einzige Verwandte unseres heimischen Eisvogels (Alcedo atthis), der in Kanada vorkommt.

Mit dem sich stetig steigerndem Interesse für Fotografie kam auch das Interesse für die Natur. Man will schließlich wissen, was einem dort vor die Linse geraten ist. Ich bin kein Ornithologe und belese mich lediglich über die einzelnen Arten, die ich als Fotomotiv erhalten habe. Je nach Zeitkapazität dauert es ein wenig, bis man ein nahezu vollständiges Portrait einer Art hat, in diesem Fall vom Eisvogel.

Die erste Begegnung mit einem Eisvogel in Kanada sollte nicht die letzte sein. Zurück in Deutschland begann ich öfter auf Fototour zu gehen und die Kamera intensiver zu nutzen. In Mecklenburg-Vorpommern traf ich dann den heimischen Vertreter der Eisvögel recht regelmäßig. Sowohl in Waldgebieten mit Teichen, als auch an Flüssen und Seen bin ich ihm begegnet. Dabei sind mir viele Details aufgefallen über die ich berichten möchte.

Gürtelfischer (Belted Kingfischer) in Kanada

Den Kanadischen Vertreter der Eisvögel habe ich 2018 in Kanada auf Vancouver Island an der Fanny Bay gesichtet. Um genau zu sein handelte es sich hierbei um einen Gürtelfischer. Ich habe zu der Zeit die Nikon D7500 mit dem Objektiv 55-300mm (für APS-C) von Nikon verwendet. Von den richtigen Einstellungen, oder welche Objektive man für solche Aufnahmen braucht, hatte ich noch nicht die Ahnung. Immerhin hat es jedoch damals für ein paar Schnappschüsse gereicht.

Ich hatte den kleinen weiß-blau/grau gestreiften Vogel auf einem Stein am Ufer gesichtet. Bei dem Versuch ihm etwas näher zu kommen, schnellte er los und setzte sich auf einen anderen Stein parallel zum Ufer. Also stiefelte ich behutsam hinterher natürlich mit dem Fotografen-Ziel im Kopf, die Distanz zwischen mir und dem Tier für bessere Bilder zu verringern. Ich hatte wohlgemerkt keine Tarnung. Ich lief im Grunde mit meiner Kamera nur den steinigen Strand entlang. Kaum war ich dem Rackenvogel näher gekommen (30m), flog er auf und landete wieder auf dem Felsen, auf dem er zuvor gesessen hatte. Wir trieben das Spielchen ein paar Mal. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er mich damit einfach nur ärgern wollte. Aber ich weiß natürlich, dass er in mir eine mögliche Bedrohung bzw. mindestens Störung sah. Daher habe ich ihn auch schnell wieder in Ruhe gelassen. Ein paar Aufnahmen hatte ich ja trotzdem erhalten.

Der heimische Eisvogel (Alcedo atthis)

Der heimische Eisvogel ist in Europa, Asien und Nordafrika beheimatet. Er kommt an ruhig fließenden Gewässern vor.

Die beiden Geschlechter der Eisvögel kann man leicht unterscheiden. Ein schönes Unterscheidungsmerkmal zwischen Männchen und Weibchen ist der orange gefärbte Unterschnabel des Weibchens. Das Männchen hat eher einen schwarzen Schnabel, dessen Basis einen hellen Fleck aufweisen kann.

Meine ersten Versuche den heimischen Eisvogel mit der Kamera einzufangen, gelangen mir mit der Kamera D500 und dem Objektiv Sigma 150-600mm C. Die Bilder waren nicht unbedingt hochwertig und zufrieden stellend. Diese technische Kombination hatte sich als recht anspruchsvoll erwiesen. Die Bilder waren kontrastschwach, nicht super scharf und aus größerer Entfernung aufgenommen. Daher war der Eisvogel nicht besonders gut aufgelöst. Für sauberere Fotos nahm ich deswegen die Nikon D750.

Wenn man beginnt, die einzelnen Tiere  mit der Kamera zu beobachten, lernt man viel über das Verhalten kennen.

Verhalten der Tiere

Bisher habe ich die kleinen blau-orangen Vögelchen vor allem beim Balzen oder beim Fischen beobachten können.

Für das Fischen scheint es zwei Strategien zu geben:

1. Fischen von der Sitzwarte aus: der Eisvogel setzt sich auf Schilf, Stöcker oder Äste, die oftmals über das Wasser ragen und starrt ins Wasser. Der Vogel wartet auf den richtigen Moment um pfeilschnell nach unten zu schießen und im besten Fall erfolgreich mit seiner Beute wieder aufzutauchen.

2. Rüttelflug über dem Wasser: Gerade bei meinen ersten Fotografie-Versuchen gab es diese typischen „wäre ich mal länger sitzen geblieben“-Momente. Ich hatte gerade meine Kamera nach mehreren Stunden Wartezeit zusammengepackt, da kam einer der beiden Eisvögel eines Pärchens um die Ecke geschossen, stand wie ein Kolibri oder Turmfalke einige Sekunden über dem Wasser in der Luft, vielleicht 3 m von mir entfernt, schnellte ins Wasser hinab, kam mit Fisch wieder raus und flog davon.

Aus physikalischer Sicht macht es Sinn die zweite Jagdstrategien nur gelegentlich einzusetzen. Bei ausreichend Sicht und Beute lässt sich die Flugdauer kurz halten, denn das Rütteln ist unfassbar energiezehrend.

Jedoch ergaben sich in beiden Situationen interessante Zusammenhänge, die besonders gut bei zwei Eisvögeln in Rostock zu beobachten waren. Bei einem westwärts gerichteten Kanal, wird das Wasser morgens von Bäumen stark verschattet. Erst wenn die Sonne weit genug gewandert ist bzw. eine gewisse Altitude erreicht hat, kommen die Eisvögel in den Kanal um dort zu fischen. Abgesehen von der nötigen Wasserqualität spielt hier also auch die Helligkeit eine wichtige Rolle!

In dem Waldgebiet, das ich regelmäßig besuchte, gab es außerdem zwei weitere Auffälligkeiten, die die Eisvögel dort an den Tag legten. Es schien eine Einflugschneise und eine Ausflugschneise zu geben. Also mehr oder weniger typische Wege, die der Vogel systematisch nutzt um zu seinem Nistplatz zu kommen oder ihn zu verlassen. Bewegungsabläufe, die beim Eisvogel regelmäßig, wiederholt und gleichbleibend auftreten (stereotypes Verhalten). Das kann einem Fotografen wie mir sehr zugute kommen. Schließlich  ergibt sich dadurch auch eine bessere Möglichkeit den kleinen blauen Pfeil frontal im Flug zu fotografieren. Geschafft habe ich es bisher nicht, aber schauen wir mal 🙂

Eisvögel kündigen sich sehr oft mit einem hohen Fiep-Ton an, bevor sie einfliegen (Weiterleitung zu https://www.deutsche-vogelstimmen.de). Wie ich finde ein ganz typischer Ruf, der sich von anderen Wald- oder Wasservögeln durch seine hohe Frequenz und heisere Prägnanz gut unterscheiden lässt. Insbesondere zur Balzzeit, wenn sie im Februar/März ihre Balzflüge unternehmen, kann man ihren Ruf regelmäßig hören. Wobei man sagen muss, dass ich vor gar nicht so langer Zeit auch Kontakt mit einem Pärchen hatte, die über 1,5 Stunden keinen einzigen Mucks von sich gegeben haben. Das war im MONAT während der Brutzeit. Da sind sie eher still und allein auf die Futtersuche konzentriert. Man sollte sich also keinesfalls darauf verlassen ein regelmäßiges Signal vom Vogel zu bekommen. Dann sitzt er nur ganz ruhig auf seiner Sitzwarte, hält nach Beute Ausschau und verschwindet auch ohne ein Geräusch wieder zum nächsten Punkt. Es kommt also auch auf die Jahreszeit an.

Winter 2021

Der Winter 2020/ 2021 war ein besonderer im Vergleich zu den Jahren davor. Anfang Februar sind die Temperaturen um Rostock teils bis auf Minus 15 Grad abgesunken. Dabei ist die Warnow mit ihren kleinen Seitenarmen komplett zugefroren. Das Wort „Eis“ beim Eisvogel heißt nicht, dass der Eisvogel kalte Regionen bevorzugt. Der Eisvogel jagt auf offenen Gewässern und fängt kleine Fische. Durch den hohen Stoffwechsel frisst er die Hälfte seines eigenen Körpergewichts pro Tag. Er benötigt also eine regelmäßige Nahrungszufuhr, vor allem im Winter. Bei dauerhaften Minusgraden muss er sich schließlich zusätzlich warm halten. Das verbraucht mehr Energie. Zudem frieren Gewässer zu, somit ist der Zugang zu Nahrungsquellen erschwert. Ein langer, kalter Winter, bei dem die Gewässer zufrieren, kann sogar den Tod einer ganzen Eisvogel-Population bedeuten.

Manchmal  muss der Eisvogel dann weiterziehen. Das ist nicht nur ein hoher energetischer Aufwand, es birgt auch das Risiko, keine oder schlechtere alternative Standorte zu finden. https://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-elf-tagen-schnee-und-eis-die-haelfte-der-berliner-eisvoegel-ist-verhungert/26923728.html

Auf der Seite des OAMV (Weiterleitung Interessengemeinschaft Avifauna Mecklenburg Vorpommern) finden sich mit Beginn der Kaltperiode 2021 deutlich weniger Sichtungen des Eisvogels in Mecklenburg Vorpommern, bis in den Frühsommer hinein. Geht man von der aktuellen Bestandslage aus, besteht (siehe Verbreitungskarte links) bisher noch recht wenig Risiko einer Bedrohung. Die Reproduktionsraten des Vogels sind generell recht hoch (Vökler, F. (2014): Zweiter Atlas der Brutvögel des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Greifswald.). Eine Überlebensstrategie um strenge Winter in den darauffolgenden Jahren wieder auszugleichen. Daher kann man zumindest noch davon ausgehen, dass solche kurzen harten Winter wie der 2021 recht schnell kompensiert werden können.

Wer sich dazu etwas belesen möchte, sowie die Verbreitungsgebiete genauer studieren will, kann sich unter anderem auf der Seite der IUCN Red List of Threatened Species mit dem Eisvogel näher beschäftigen.

Gefährdung

Die Gesamtpopulation an Eisvögeln scheint zumindest laut meiner Kenntnis relativ stabil (https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/eisvogel). Jedoch gibt es Indizien, dass dies nicht mehr überall der Fall ist. Besonders auffällig ist als lokales Beispiel der Plauer See in Mecklenburg-Vorpommern. Steigender Tourismus und die Wassernutzung durch motorisierte Boote nimmt Tieren wie dem Eisvogel seine Rückzugsorte, Brutgebiete und Jagdgründe. Was früher ein natürliches Paradies war, wird mit Lärm, Abgasen und Müll verschmutzt, ohne Rücksicht auf die dort beheimateten Arten. Die Anwohner berichten, dass in den letzten Jahren immer seltener bzw. weniger Eisvögel gesichtet wurden. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung wird der Plauer See wohl nicht das einzige Ökosystem sein, das durch die menschliche Nutzung destabilisiert wird.

Gefährdung entsteht vor allem durch Uferverbauung und Besiedlung an Fließgewässern, Gewässerverschmutzung und starken Freizeitbetrieb. Illegaler Abschuss und Fang an Gewässern spielt sicherlich noch eine Rolle, schwerer wiegt wahrscheinlich unwissentliche oder mutwillige Zerstörung von tatsächlichen und potenziellen Nistplätzen. (https://www.lfu.bayern.de/natur/sap/arteninformationen/steckbrief/zeige?stbname=Alcedo+atthis)

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